Presse & Kritiken

sonic artikel Mai / Juni 2021

Crowd Funding, the ,Old School' way...
Ob er gerade in „Disneyland“ oder „Deutschland“ angekommen war, war Richard Carson Steuart letztlich egal! Er hatte sich bis jetzt immer zurechtgefunden und, wo nötig, auch durchgesetzt in seinem Leben! Auf Tournee mit Bigband oder Symphonie Orchester seit seinem 11. Lebensjahr in Großstädten wie Vancouver, Montreal, Toronto, New York, Chicago, Philadelphia, Brüssel, Genf und zuletzt in London, war er, stets reise-bereit, sogar mit gedrückten Visiten Karten: "Have Trumpet, Will Travel", ein
„Mr. Trumpet,... To Go“ und jetzt  und wiedermals ein „Stranger in a Strange Land“, unterwegs aus eigenem Antrieb zu seinem nächsten aufregende musikalischen Abenteuer!

 

Überleben auf die harte Tour hatte Steuart in Belgien gelernt. „Nach der Europa Tournee als Solotrompeter mit dem ‚Welt Jugend Symphonie Orchester‘“, erzählt er, war mein Stipendiumsgeld aus Kanada blöderweise auf eine falsche Bank überwiesen worden und ich musste einen Kollegen aus dem Studenten-Orchester in Brüssel um Unterstützung bitten. Deswegen lernte ich damals ganz schnell, wie und was man auf der Straße spielen musste, um zu überleben: alles von Bach bis Beatles, das war eine Art Crowd Funding the old school way! So bin ich klargekommen, bis alles geklärt war. Als ich am 16. September 1978 am Münchener Hauptbahnhof stand, wusste ich also, was es heißt, in einem fremden Land komplett pleite zu sein; also nicht zu wissen, wo man sein nächstes Essen herbekommt und wo man nachts schlafen kann!"

Jetzt war seine Trompete seine einzige Sicherheit, und er hatte nur eine Kontaktperson in Deutschland:  Rolf Quinque, den berühmtesten Solotrompeter Münchens und damals Solotrompeter der Münchner Philharmoniker. Aber war er wirklich die einzige Kontaktperson? Steuart fiel ihm noch jemand ein: Carl Lenthe, der neue Soloposaunist in der Münchener Staatsoper. Steuart hatte im Herbst 1976 mit ihm zusammen im Curtis Institute in Philadelphia studiert. Sie hatten sogar in einem Trio zusammen gespielt! „Wir haben uns eigentlich gut verstanden, zumindest musikalisch!", erzählt Steuart.

Aber wie erfolgreich an Mr. Quinque herankommen? Der Weg war kompliziert. „Ich hatte“, entsinnt sich Richard Steuart, „ein Audio-Band, auf das ich einige Solostücke eingespielt und ursprünglich zu einem ITG-Wettbewerb in die USA geschickt hatte. Ohne irgendeine Erklärung der Amerikaner hatte ich es in einem zerrissenen Karton zurückbekommen.  Ich dachte, ‚dafür muss es einen guten Grund geben, Gott liebt mich schließlich, oder?‘ Neu verpackt schickte ich es weiter an eine Freundin, die ich aus der National Jugend Symphonie Orchester von Kanada kannte und die, wie ich wusste, bei Prof. Eric Penzel in Köln Waldhorn studierte. Wer weiß, dachte ich, was Gutes daraus wird?"

Tatsächlich hatte Steuart, noch in Kanada, auf der Grundlage dieses Bandes einen sehr netten Brief von Rolf Quinque persönlich bekommen, an den Professor Penzel das Band weitergereicht hatte. Darin bot Quinque Steuart eine Studienplatz am Richard-Strauss-Konservatorium in München an „mit dem Hinweis, dass er mich jederzeit als Student ganz ohne ein formelles Probespiel nehmen würde. Die Formalitäten mit den Ämtern würde man später regeln".

Mal sehen, das von dem Versprechen übrig war! „Obwohl ich seinen Brief längst verloren hatte, nahm ich in meiner unkomplizierten, noch völlig naiven, kanadischen Art die nächste Straßenbahn vom Hauptbahnhof direkt zum alten R. S. Konservatorium, besorgte mir im Büro des Konservatoriums seine private Telefonnummer und rief ihn einfach an!“

Ans Telefon ging aber nicht er, sondern Frau Quinque, die, wie ich gleich am Telefon bemerkte, alles in seinem Leben managte. Später stellte ich fest, dass sie eine ziemlich imposante Frau von etwa 45 Jahren mit einem bedrohlich-beeindruckenden Vorbau war. Nachdem ich ihr – mit Händen und Füßen – erzählt hatte, wer ich war und was ich wollte, übergab sie letztendlich, spürbar widerwillig, ihrem Mann den Hörer.
Rolf Quinque erinnerte sich an mich und sein Angebot und sagte in seiner stets höflichen und sehr freundlichen Art, wenn auch in etwas gebrochenem Englisch: „Well, how nice to hear from you, Mr. Steuart! Sie kommen gerade rechtzeitig, da das Studienjahr am Konservatorium eben beginnt. Aber ich erwiderte: ‚Thank you very much, Mr. Quinque, but I have a different idea. Nach meiner Erfahrung am Curtis Institute in Philadelphia möchte ich nicht noch einmal an irgendeiner musikalischen Institution studieren!‘ Und schnell fügte ich hinzu: ‚Ich wäre aber sehr dankbar, wenn ich ein paar Privatstunden bei Ihnen bekommen könnte ... Was verlangen Sie, bitte, für eine Privatstunde?‘ ‚Nur, 100 Mark pro Unterrichtsstunde.‘ Schluck!!! ‚Wow!!!‘, dachte ich, „billig ist das nicht gerade!‘ Aber ich hatte ein 10.000-Dollar-Studienstipendium vom ‚Arts Council of Canada‘ für den 1978er Studienjahr. Das war zwar noch nicht auf meinem Konto, aber voller Hoffnung und jugendlichem Übermut vereinbarte ich noch in derselben Woche eine Unterrichtsstunde mit ihm und bedankte mich respektvoll für seine großzügige Bereitschaft, mir mit Privatunterricht weiterzuhelfen. Zur Not konnte ich auf meiner guter Schilke-Bb-Trompete auf der Straße spielen. Und genau das tat ich schließlich auch, zumindest am Anfang!“

Weder Rolf Quinque noch sein Schüler wussten, dass Richard Carson Steuart nach nur drei Unterrichtsstunden in weniger als sechs Wochen – am 4. November – nach seinem allerersten Probevorspiel in Europa einen tollen Vollzeit-Job als Co-Solotrompeter bei der "Deutschen Oper am Rhein" in Düsseldorf gewinnen würde! „Ehrlich gesagt“, seufzt Steuart, „manchmal habe ich mir gewünscht, ich wäre dort geblieben! Passend zu dem berühmten Karnevalslied: "Wäre ich doch in Düss--el--dorf gebliiiiiiiiiiieben"!!! Nichtsdestotrotz bin ich dankbar, glauben Sie mir, wie mein Leben weiterging und für all das Gute und Schlechte, das ich danach erlebt habe“, sagte Steuart mit einem leicht verklärten Blick „...und wie und warum ich diese Stelle bekommen habe, d.h. wie das Probespiel in Düsseldorf ‚wirklich‘ gelaufen ist und wie ich am 4. Februar 1979, nur drei Monate später wieder eine Solotrompetenstelle angeboten bekommen habe "per Telegramm" (schon wieder wirklich "Old School"! ) und gleich annahm, diesmal bei den Bamberger Symphonikern.“

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Der reiche Klang - von Kerstin Sieblist (Leipzig, Nov. 2017)

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